Rödelheim und das „Wöhlerhaus“
Die Geschichte des denkmalgeschützten Hauses ist eng verbunden mit seinen früheren Besitzern und der Geschichte des Stadtteils. Es ist eine lange und wechselvolle Geschichte. Der Bau des Hauses erfolgte im späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert.
Anfangs war es das Hauptgebäude des Hofguts der Grafen Solms-Rödelheim, die seit 1416 Herrscher über Rödelheim waren. 1806 kaufte es August Anton Wöhler. Er etablierte einen Musterhof, der neue wissenschaftliche Erkenntnisse der Tierhaltung und Pflanzenzucht in die Praxis umsetzte, und machte ihn somit auch für viele Landwirte aus der Umgebung als Ausbildungsstätte attraktiv.
August Anton Wöhler war den Idealen der Aufklärung verbunden. Er war Präsident der Polytechnischen Gesellschaft und gilt als „Vater“ der Frankfurter Sparkasse von 1822, die gegründet wurde, um auch ärmeren Menschen die Möglichkeit zur verzinslichen Anlage von Ersparnissen zu geben.
Sein Sohn Friedrich Wöhler verbrachte im Haus einen Teil seiner Kindheit und wurde ein Pionier der damals noch jungen chemischen Wissenschaft. Er stellte 1827 als Erster größere Mengen von Aluminium her und 1828 gelang ihm die künstliche Herstellung von Harnstoff, womit er das Feld der Biochemie eröffnete und der organischen Chemie auf die Spur kam.
Nach dem Tode von August Anton Wöhler 1850 wechselten mehrfach die Besitzer, bis das gesamte Hofgut 1878 an die Familie Kuhlmann verpachtet und später verkauft wurde. Diese betrieben bis 1969 eine Landwirtschaft mit Kühen und Schweinen und versorgten zeitweise große Teile Rödelheims mit Nahrungsmitteln. Über diese Zeit, insbesondere über die Zeit des Nationalsozialismus, ist wenig bekannt.
1973 dann wurde der Großteil der Stallungen und Gesindehäuser abgerissen. Der geplante Abriss des Wöhlerhauses wurde aus Gründen des Denkmalschutzes untersagt.
Da die Hausbesitzer der drei Jahrhunderte auf größere Umbauten verzichteten, spiegeln der Bau und seine Innenausstattung heute noch die verschiedenen Epochen wieder, die das Haus erlebte. Erbaut im Barock mit massivem Erdgeschoss und Fachwerk, das unter Verputz bzw. Schieferverkleidung liegt, besitzt es noch zwei kleinere Anbauten und ist teilweise mit Gewölbe unterkellert. Auch die Gartenmauer und die Toranlage mit barocker Rund-bogenholztür sind noch erhalten, ebenso barocke Türflügel im Hausinneren. Die Fenster sind zum größten Teil aus dem 19. Jahrhundert, darunter mit typisch spät-klassizistischer Zahnschnittverzierung ausgestattet, die sich auch auf der zweiflügeligen Haustür findet. Der sehr gut erhaltene Eingangsbereich mit mehrfarbigen Fliesen in geometrischen und floralen Mustern schließlich repräsentiert den Jugendstil des frühen 20. Jahrhunderts.